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Villa Mendelewitsch

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Marazlijewskaja-Straße 28

Villa Mendelewitsch, die die Züge von Art Nouveau und Renaissance virtuos vereint, beeindruckt seit nun mehr als 100 Jahren durch ihr Erscheinungsbild und dekorative Elemente und ist ein Meisterwerk des Architekten Wikenti I. Prohaska.

Von:
Alexander Levitsky
Dmitriy Shamatazhi

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Gebäudeart:

  • Villa

Baustil:

  • Neorenaissance

Architekt:

  • Wikenti I. Prohaska

Baujahr:

  • 1909

Status:

  • Baudenkmal von lokaler Bedeutung

Fassade

Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28
Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28

Die Grundstücke in der Marazlijewskaja-Straße gehörten überwiegend der gehobenen Schicht, deshalb zeichnen sich die meisten Häuser durch besondere Architektur und schicke Interieurs aus. Aktive Bebauung der Straße begann Ende 19.-Anfand 20. Jahrhunderts. Einige Abschnitte wurden später bebaut, darunter auch das Flurstück № 28.

In den 1890er Jahren kaufte ein Herr Aswadurow das Grundstück, und in der Zeit von 1902-1907 wurde es an den Getreidehändler Jefim J. Mendelewitsch, „Kaufmann der ersten Gilde, Abgesandten der Kaufmannszunft, Mitglied der Brotkommission an der Börse von Odessa, Beirat der Handwerksschule gegründet von Jefim J. Mendelewitsch u.a.m.“, weiterverkauft. Übrigens soll Mendelewitsch mit dem Besitzer der Einkaufspassage in der Deribassowskaja-Straße Moisej J. Mendelewitsch verwandt gewesen sein (sehr wahrscheinlich waren es Brüder).

Hausansicht hofseitig

1909 baute der Architekt Wikenti Prohaska eine Villa, die sich durch schlichte monumentale Formen der florentinischen Renaissance auszeichnet. Zu dem Zeitpunkt hatte Prohaska für nur wenige Bauten verantwortlich gezeichnet, jedoch waren sie mit die raffiniertesten. Seine guten Referenzen waren der Wettbewerbsentwurf der Neuen Börse und das Gebäude der Hauptverwaltung der Gesellschaft für Privatpfandhäuser von Odessa. Seine Entscheidung für Neorenaissance war keine zufällige, denn die meisten Eigenentwürfe von Prohaska sind in diesem Stil gehalten. Der Architekt ging sehr kreativ an jedes seiner Projekte heran, so dass sich die Bauten nicht ähneln, und stets gelang es ihm, etwas Feines und gleichzeitig Monumentales zu schaffen.

Freier Giebel an der Fassade

Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28

Villa Mendelewitsch besteht aus zwei Obergeschossen und dem Souterrain. Auf den Bauplänen sieht das Gebäude fast rechteckig aus und hat keine ausgeprägten Hofflügel. Prohaska hielt sich nicht streng an den Kanon der florentinischen Renaissance, sondern mischte souverän Elemente verschiedener Baustile, u.a. die des damals sehr populären Art Nouveau. Ein Beispiel dafür sind das Umgrenzungsgitter der Souterrain-Fenster, die Eingangstür und das geschnitzte Holzgeländer der Haupttreppe. Auch sind die Flachreliefs über den Obergeschoss-Fenstern im Stil des Art Nouveau interpretiert. Der klassizistische Dreiecksgiebel und die Athena-Maske im Tympanon setzen der Villa die Krone auf.

Der Figurenschmuck der Fassade

Athena-Flachrelief im Hauptgiebel Athena-Flachrelief im Hauptgiebel Gesamtansicht mit Risalit, Dreiecksgiebel und Flachrelief
Figurenschmuck links vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des linken Fassadenteils Figurenschmuck links vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des linken Fassadenteils Hauptrelief in der Mitte des linken Fassadenteils Figurenschmuck rechts vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des linken Fassadenteils Figurenschmuck rechts vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des linken Fassadenteils Rechter Fassadenteil, florale Elemente Figurenschmuck links vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des rechten Fassadenteils Figurenschmuck links vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des rechten Fassadenteils Hauptrelief in der Mitte des rechten Fassadenteils Figurenschmuck rechts vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des rechten Fassadenteils Figurenschmuck rechts vom Flachrelief im Hauptgiebel, Mitte des rechten Fassadenteils
Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28
Fassadenausschnitt in den 1970er Jahren, Foto von Wladimir G. Nikitenko.

Die Fassade ist fast komplett als Rustika gehalten, wirkt aber dank gekonntem Einsatz von Schlusssteinen, Wandtafeln im Stil der Art Nouveau und Flachreliefs recht abwechslungsreich. Die Flachreliefs über den Fenstern im ersten Stock stellen Szenen der Kindererziehung dar und stilisierte florale Elemente an den Fassadenrändern ergänzen die Gruppenplastiken.

Gesims, Ausschnitt

Fenstergesims im Hochparterre

Souterrain-Gitter

Ziermuster, Gesamtansicht Verbindung einzelner Abschnitte Florales Element

Traditionell wurden Flachreliefs an den Wandtafeln platziert, aber bei Prohaska finden sie sich direkt an der Fassadenfläche und sind somit ins Gebäude integriert. So knüpft der Architekt an die „Verschmelzung der Künste“ als eine der Hauptideen des Art Nouveau an. Prohaskas Flachreliefs sind nicht vom Gesamtdekor isoliert, sondern ein Teil davon. Eine ähnliche Umsetzung findet sich an der Fassade des Kossargowskaja-Hauses (Neshinskaja-Straße 66).

Heutzutage verfügt Villa Mendelewitsch über drei Balkone, die zur Sowjetzeiten anstelle von ursprünglichen und mit der Zeit stark beschädigten Balkonen aus Stein installiert wurden. Es ist leider nicht belegt, wie die ursprünglichen Balkone ausgesehen haben. Die Brüstung des Hauptbalkons ist nicht erhalten geblieben. Angesichts des Gesamtkonzepts der Fassade und am Beispiel von anderen Rustika-Bauten von Prohaska darf man annehmen, dass es eine Steinbalustrade war.

Torbogen

Ansicht von der Straße aus Die Pfosten zum Festbinden von Pferden an den beiden Seiten des Torbogens

Die Wohnung von Mendelewitsch erstreckte sich über den ersten Stock, im linken und rechten Flügel des Hochparterres lag je eine Mietswohnung mit Zugang zum Souterrain. Zur Sowjetzeit wurden aus den Wohnräumen von Mendelewitsch Gemeinschaftswohnungen.

Torbogen

Gesamtansicht Torbogen, Innenansicht

Die Decke des Torbogens schmücken Stuckelemente, dabei sind die Masken mit denen der Fassade von Villa Gawsewitsch (erbaut 1903 von Galperson) identisch. Wahrscheinlich hatten Mendelewitsch die Masken der Villa Gawsewitsch, die auf dem Lidersowski-Boulevard auf dem Weg zum Strand Langeron liegt, gefallen.

Ein Gewölbefragment mit Masken Eine Maske unter dem Gesims Eine Maske unter dem Gesims Gesims-Stuckdekoration Kreuzblume am Gewölbe (nur in zwei Bogensegmenten erhalten geblieben)

Original-Eingangstür im Torbogen

Dekor des unteren Teils der Tür Dekor des unteren Teils der Tür, ein Ausschnitt Dekor des oberen Teils der Tür Dekorgitter

Im Gegensatz zur Fassade kommen das Treppenhaus und der Flur im ersten Stock nicht monumental daher. Die Kombination aus Barock und Art Nouveau lässt sie eher verschnörkelt aussehen.

Besonders zu erwähnen ist die komplett aus Holz gefertigte Art-Nouveau-Treppe. Ihr Geländer besteht nicht aus einzelnen Pfeilern, sondern aus Holzprofilen, die mit tiefen Schnitzereien und eher schlichten Motiven verziert sind.

Treppe

Die Treppe und das Fenster vom Erdgeschoss aus

Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28

Treppengeländer

Ein Treppenteil Ein Treppenteil Schnitzerei, ein Ausschnitt Schnitzerei, ein Ausschnitt

Die Treppe von unten

Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28

Bemerkenswert ist ein kleiner holzverkleideter Vorraum und seine mit der Zeit stark gelittene Originaltür.

Erdgeschoss

Vorraum Vorraumtür, ein Ausschnitt; nur der untere Teil im Original erhalten geblieben

Den Eingangsbereich zieren zwei Karyatiden, die den Flur des ersten Stocks tragen. Die Figuren sind zwar symmetrisch aufgestellt, aber nicht gleich —. Die Kore an der Vorraumtür lässt einen Arm seitlich am Körper gleiten und hält locker ihr Gewand in Höhe der Gürtellinie. Die andere Kore hält den Arm mit dem übergeworfenen Gewand in der Brusthöhe; vermutlich hatte sie ursprünglich einen Leuchter in der Hand, die Hand ist aber nicht erhalten geblieben. Die beiden Plastiken zollen dem Erotismus der Antike Tribut.

Treppenfuß

Kore

Die Kore und die Verzierungen der Vorkragung im ersten Stock Die Kore und die Mauernische Die Kore an der Treppe Die Kore vor dem Vorraum

Nischenverzierung, ein Ausschnitt

Nischenumrahmung

Ebenfalls an der Treppe, neben der vom Eingang aus gesehen rechten Kore ist eine üppig verzierte Nische, die ursprünglich wahrscheinlich einem Leuchter, einer Blumenvase oder einer Plastik Platz bot.

Hausflur, Gesamtansicht mit allen wichtigen Dekorelementen

Die Kore und die Nische von der Treppe aus

Den Treppenabsatz im ersten Stock zieren zwei Torbogen mit Säulen und den an den Art Nouveau angelehnten Kapitellen.

Erster Stock

Säulen Ein Säulenkapitell
Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28
Hausflur, Ansicht vom ersten Stock aus

Treppenhaus

Verzierungen der Wandpfeiler

Ausschnitt
Gesimskonsole Kannelüren

Die Kapitelle der Halbsäulen am Treppenabsatz im ersten Stock

Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28

Die Supraporten enthalten — in Anlehnung an die Fassadenplastiken — ein Puttenpaar.

Plastiken über einer der Türen

Dekorelement Dekorelement, ein Ausschnitt Verzierungselement
Nische zwischen zwei Türen Nische im ersten Stock, ein Verzierungselement

Flachrelief im Treppenhaus

Beeindruckend ist auch die ovale mit plastischen Elementen verzierte Treppenhausdecke, die auf natürliche Weise die Form des Raumes aufgreift. Zusätzlich schmücken Kannelüren im Art Nouveau und Doppelpfeiler die Treppenhauswände.

Kuppelförmige Treppenhausdecke, Gesamtansicht

Treppenabsatz im ersten Stock, Gesamtansicht

Im ersten Stock des Treppenhauses ist eine bemerkenswerte halbkreisförmige Vorkragung über der Kore, die einem kleinen Balkon ähnelt und mit einer üppigen asymmetrischen Plastik verziert ist.

Die Verzierung der Vorkragung

Das Originalgeländer im ersten Stock ist nicht erhalten geblieben und wurde durch eine einfache Holzkonstruktion ersetzt. Die Zeit und menschliche Nachlässigkeit lassen den einmaligen Dekor des Gebäudes sichtbar zu Grunde gehen; dabei ist die Villa einzigartig.

Zwar ist der Originalrahmen des großen Art-Nouveau-Fensters im Treppenhaus erhalten geblieben, die Fenstermosaik aber nicht.

Treppenhausfenster vom Hof aus

Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28

Ebenfalls im Treppenhaus nicht erhalten geblieben sind die Deckenmalerei und der Putz in venezianischer Spachteltechnik.

Der Parkettboden des Treppenhauses ist original, aber in keinem guten Zustand.

Villa Mendelewitsch in der Marazlijewskaja-Straße 28

Zur Sowjetzeit wurde das Treppenhaus der Luxusvilla zum Flur eines Wohnhauses mit blau gestrichenen Wänden. Heutzutage blättert die Farbe ab und lässt den Originalputz zutage treten.

Die ursprüngliche Treppenhaustür wurde 2011 durch eine massive schnörkellose Metalltür ersetzt. Die übrigen Türen des Torbogens sind — anders als alle Innenraumtüren — erhalten geblieben.

Eine Gedenktafel wert ist die historische Tatsache, dass in 1910er Jahren der berühmte Architekt Moisej I. Linezki, der ältere Sohn des Schriftstellers und Gründers der nationalliterarischen Schule Isaak-Joel Linezki, eine der Mietwohnung der Villa bewohnte. Nach seinen Entwürfen sind in Odessa einige bedeutende Bauten überwiegend im Stil der Art Nouveau entstanden, u.a. die in der Marazlijewskaja-Straße 2 und 14a.

Literatur- und Quellenverzeichnis

Von:

2016